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Über mich Stefanie D. Seiler

Ich suche die Stille. Immer wieder, egal wo. Am liebsten draußen im Wald. Der fängt quasi hinter meinem Haus an.  Und so beginne ich allermeistens meinen Tag: Nachdem ich vor allen anderen aufgestanden bin, Kaffee getrunken und eine halbe Stunde geschrieben habe, Kinder geweckt, Pausenbrote geschmiert und noch einen Espresso mit meinem Mann getrunken habe.

Ich gehe die Treppe runter. Egal bei welchem Wetter, naja, nicht gerade bei Sturmwarnung, aber das kommt so gut wie nie vor dort, wo ich wohne. Die ersten Meter gehe ich das kleine Asphaltsträßchen, das in den Wald hineinführt. Gehe am Haus meiner Freundin und Nachbarin vorüber, mit der ich oft einen Morgengruß ausgetauscht habe und vermisse ihr Lachen, wenn sie auf dem Balkon steht mit ihrem ersten Kaffee und der ersten Zigarette des Tages. Sie ist vor zwei Wochen gestorben. Gehe weiter und denke über das Wort „Verlust“ nach. Ihre Absenz wird mir erst nach und nach vollumfänglich bewusst werden.

Mein linkes Bein schmerzt. Haderig, ob ich das ignorieren soll oder besser nicht, entscheide ich mich zu ersterem und siehe da: Kaum bin ich die ersten Meter getrabt, verschwindet der Schmerz. Ich nenne das „therapeutisches Laufen“.

„Kennen Sie nicht bald jeden Ast persönlich?“, fragte mich vor einiger Zeit ein Mann, der oft mit seinem Hund hier seine Runden dreht. Ich lächelte darauf nur unverbindlich. Was soll ich dazu sagen?  Es sind immer diesselben „Grundrunden“, die ich laufe in diesem stillen Teil des Waldes.  Dennoch ist es abwechslungsreich, jeden Tag anders und jedes Mal bin ich froh, draußen gewesen zu sein, empfinde und nehme Nuancen wahr, erlebe mit allen Sinnen, was in der Natur vor sich geht. Jetzt sind es die zögerlichen, doch unmissverständlichen Vorboten des Frühlings, das Zwitschern der Vögel, die ersten Schneeglöckchen, die mir Mut geben.

Ich weiß vorher nie, welchen Weg ich nehmen werde, das entscheide ich spontan, natürlich auch abhänging davon, wieviel Zeit ich mir nehmen kann. Dafür kenne ich den Wald gut genug: Um ungefähr einzuschätzen, wieviel Zeit ich für welchen Weg brauche. Nicht selten entdecke ich noch nach all den Jahren neue, kleine Pfade und Verbindungswege, ab und an laufe ich auch querwaldein.

Am Wochenende verirren sich hier ab und an ein paar ambitionierte Mountainbiker mit oder oder E, ansonsten bin ich alleine und treffe nur eine Handvoll Menschen mit ihren Hunden und das kommt mir gerade recht. Schließlich will ich meine Ruhe haben im Wald. Ich suche die Stille.

 

 

Der Weg zurück

 

Ich laufe gerne. Meistens jogge ich, manchmal gehe ich einfach spazieren. Wenn ich auf Reisen bin, was viel zu selten vorkommt, erlaufe ich mir meine nächste Umgebung.

Was ich gar nicht mag,  ist denselben Weg wieder zurück zu gehen. Einfach so hin und her finde ich extrem langweilig. Um das zu vermeiden schlage ich mich zuweilen schon mal durchs unbequemere Unterholz.

Manchmal aber geht’s nicht anders, als denselben Weg zurück zu gehen.  Zum Beispiel, wenn Wege wegen Forstarbeiten gesperrt sind oder wenn ich in unbekanntem Gelände unterwegs bin. Und nein, ich gehe normalerweise nicht mit dem Handy vor der Nase durch die Gegend, um auf der virtuellen Karte zu sehen, wo ich mich gerade befinde. Das mag zuweilen praktisch sein, aber für mich ist es ungefähr so, wie wenn ich mein Handy befrage, wie das Wetter heute ist anstatt einfach rauszugehen, den Himmel anzugucken und die Temperatur zu fühlen. Die Wettervorhersage zu beachten mag seinen Sinn haben, wenn man in den Bergen unterwegs ist und eine große Wanderung vorhat, doch das kommt viel zu selten für mich vor.

Zurück zum Weg zurück. Manchmal ist es eben einfach nicht anders möglich. Und nachdem ich mich jahrelang darüber aufgeregt habe, wenn es so war, machte ich nun, bei meinem letzten Kurzurlaub die Erfahrung, dass das auch einen Reiz hat. Was ich zuvor fast als Niederlage empfunden habe, versuche ich nun als Chance zu betrachten: Nämlich die Dinge von der anderen Seite zu sehen. Etwas zu bemerken, woran ich beim Hinweg vielleicht achtlos vorübergegangen bin.

Wie im übrigen Leben bin ich frei zu entscheiden, ob ich mich ärgere oder es eben sein lasse. Als ich im Schwarzwald denselben Weg durch den Schnee zurückstapfen musste, da sonst wahrscheinlich eine Tagestour daraus geworden wäre, kam es mir zum ersten Mal gar nicht langweilig vor.  Es war wider Erwarten nicht dasselbe nur umgekehrt.

Genauso geht es mir bei der Überarbeitung meiner Texte und Romane.  Sich nochmal Abschnitte vorzunehmen oder die Handlung schrittweise zurückzugehen, um eventuelle Ungereimtheiten aufzudecken hat durchaus seinen Sinn und bringt oft Unvorhergesehenes hervor.

In diesem Sinne hoffe ich auch weiterhin guter Dinge zu bleiben, wenn ich einfach mal so umkehren muss und es als Inspirationsquelle zu betrachten.