Middle aged women – Frankfurter Hauptbahnhof
Nach einem knappen Monat absolutem Rückzug und Schreiben meines neuen Romans bin ich in Frankfurt angekommen. Am frühen Nachmittag spuckt mich der Zug mitten rein ins pralle Leben. Ich mag Zugfahren, ich mag Bahnhöfe: Wie unter dem Brennglas wird hier offensichtlich, was Sache ist. Dort, wo man gerne drüber schaut, sich hinwegliest oder womit man nichts zu tun haben will. Hier wird offenbar, dass es in Deutschland sehr wohl eine Klassengesellschaft ist, der Feudalismus scheint wie ein altes Gerippe durch. Die Ärmsten der Armen fragen hier um Geld, um etwas zu essen zu kaufen. Obdachlos, heimatlos, ausgebootet durch die verstärkenden Katalysatoren Flucht und Drogen. Selbst verschuldet? Das mit den Drogen? Spielt das eine Rolle, wenn es doch ist, wie es ist? Ob ich mal ’nen Euro habe? Oder zwei? Diverse Essensgerüche empfangen mich in der Bahnhofshalle. Wieder jemand, der mich nach Geld fragt. Nein, diesmal nicht. In den Unterführungen und hellerleuchteten Treppengängen zur U-Bahn riecht es nach Parfüm, Exkrementen und Pisse. Die die ‚raus‘ sind liegen dort, im Schlafsack oder vornübergebeugt auf einer Bank kauernd, den Kopf in die Hände gestützt. Rettungssanitäter und Polizisten stehen um einen jungen Mann, der am Rand der Rolltreppe im Schlafsack liegt und nicht ansprechbar