Freies, assoziatives Schreiben und ich

  • Wir alle sind geprägt von Erwartungen, die wir vor allem an uns selbst haben, wenn wir etwas verfassen sollen: Die Form muss perfekt, möglichst ohne Rechtschreibfehler, stilistisch einwandfrei sein. Schon bei Schulaufsätzen unterschiedlicher Couleur, sollen gewisse Formalia eingehalten werden. Das hat alles seine Berechtigung. Schließlich geht es ja auch darum in „Form“ schreiben zu lernen. Aber es führt nicht selten dazu, dass einem die Lust am Schreiben vergeht: Wir versuchen hölzern Vorgaben zu erfüllen mit dem Ergebnis, dass sich der Text eben auch hölzern liest, es weder Spaß macht, ihn zu schreiben, noch ihn zu lesen.
  • Das freie Schreiben hingegen lässt einen „frei“. Am Anfang ungewohnt, ist es mir längst in Fleisch und Blut übergegangen und gehört zu meiner täglichen Routine. Ich wage zu behaupten, dass nicht nur Schreibende oder Kreative davon profitieren. Wie schon oben geschrieben, nähere ich mich auch anderen Themen, die mir schwerfallen zu durchdenken, freischreibenderweise. Und bin nicht selten erstaunt, was da alles zum Vorschein kommt, wenn es sich nur zeigen darf.
  • Ich arbeite als Autorin schon viele Jahre mit dem freien Schreiben. Aber ich nähere mich auch anderen Themen und Problemen des übrigen Lebens schreibenderweise.
  • Angefangen habe ich mit dem Gedanken: Zehn Minuten am Tag „Me-Time“. Es war eine Zeit, in der ich sehr familiär gefordert war, mit meinen fünf Kindern, die damals noch alle zu Hause lebten. Zehn Minuten sind aber drin. Immer. Ich wählte dafür den frühen Morgen, doch das mag von Mensch und Lebensumstand verschieden sein – stellte mir den Timer auf zehn Minuten, nachdem ich Papier und Stift zurechtgelegt hatte (und einen Kaffee neben mir stehen hatte) und schrieb. Kein Stiftabsetzen, kein Überlegen, einfach schreiben. Und wenn eine Viertelseite voll ist nur mit „Einfach schreiben“, ist das auch egal. Schreiben was kommt. Und okay sein damit. Egal, was es ist. Nicht beginnen, den Text zu beurteilen, sondern ihn einfach sein zu lassen, auch wenn alle Sätze gleich anfangen, auch, wenn die Rechtschreibung schlecht ist, alles egal. Den Impulsen folgen.
  • Da waren in meinem Fall oftmals Traumreste (da früher Morgen), manchmal kamen auch Geschichten raus, die ich dann am nächsten Tag weiterführte, oder auch nicht. Und nicht selten passiert das: Das Gefühl, dass da irgendwas in einem schreibt. Und irgendwas in einem „weiß“. Wie zum Beispiel eine Geschichte los- oder weitergeht. Oder was mich eigentlich innerlich gerade beschäftigt, ohne, dass ich dem im Alltag genug Bedeutung beigemessen habe. Es ist eine Art meditativer Zustand, ein bei sich Ankommen. Nicht selten staune ich, gewinne Klarheit und Sicherheit.
  • Auch „schwierigen“ Texten oder Themen und Situationen bis hin zu anspruchsvollen Gesprächen nähere ich mich auf dies Weise. Solche, die mir ein Magendrücken verursachen mit dem Gedanken „Uhaaa, jetzt muss ich das noch formulieren, verfassen ach…. “ Dann überschreibe ich mein „freies Schreiben“ einfach mit dem jeweiligen Thema, das ansteht. Schreibe einzelne Wörter, Sequenzen, Teilsätze auf, die mir im Kopf rumschwirren, formlos. Und lasse es gut sein. Bis ich dann, meistens im Lauf der nächsten Stunden, weitere Textfragmente im Kopf habe, oder solche zusammenfüge, die ich morgens schon aufgeschrieben habe. Und oft entsteht dann mühelos Stück für Stück ein Text, eine Gesprächsgrundlage, eine Lösung, die/der schon ausgereift ist.
  • Ganz wichtig ist es mit der Hand zu schreiben. Wenn wir mit der Hand schreiben, werden andere für die Kreativität wichtige Gehirnregionen aktiviert. Während wir „einfach losschreiben“, umgehen wir die inneren Hemmschwellen, denn wir wollen ja nur um des Schreibens willen schreiben, und nicht, um dies oder das anschaulich oder spannend zu schreiben. Das gibt eine unglaubliche Freiheit und bestärkt unser kreatives Potential, das in jedem Menschen steckt und oftmals sehnsüchtig darauf, freigelassen zu werden und sich entfalten zu dürfen. Wenn da nicht all die Behinderungen wären: „Ich bin nicht gut, ich kann nicht schreiben, meine Geschichten sind langweilig, ich traue mir das nicht zu … ich kann das nicht.“ All diese Zweifel werden weggefegt mit dem Zuruf: Hey, ich darf jetzt mal, ganz unperfekt und wie ich will. Nachher schmeiß ich es weg, oder verbrenn es oder: staune und hebe es auf. Dann kann ich immer noch korrigieren und in Form bringen. In jedem Fall komme ich in einen kreativen Flow.

Die Idee einen Schreibraum -virtuell und in 3-D- anzubieten ist ein Traum von mir, den ich nun realisiere: Einen Raum zu öffnen und zu halten für all die, die sich schreibenderweise einmal ausprobieren wollen. Ganz zwanglos und mit Freude. Ohne Ansprüche an Form und Qualität. Wie ich mir das vorstelle? Dazu demnächst ein weiterer Blogartikel.

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