Meda Miltenberger 3

Ich genehmige mir ein Bad.  Als ich schon in der Badewanne liege und dem einlaufenden Wasser zuhöre, fällt mir wieder ein, dass ich dem Vermieter Bescheid sagen muss. Das Fenster ist undicht, es zieht. Zum einen heize ich im Winter aus dem Fenster, zum anderen ist es echt unangenehm. Die Wohnung ist Altbau und nur partiell rennoviert. Das hat zwar Charme, aber nur im Sommer. Mit Schrecken denke ich an das vergangene Frühjahr, als ich mit einer Grippe und hohem Fieber zwei Wochen in dieser nur mäßig zu beheizenden Wohnung festsaß.

Mit einem Aufseufzen sinke ich nochmal ins warme Wasser und werde müde. Was steht an an diesem Sonntag? Was mache ich aus meiner freien Zeit? Was mache ich überhaupt mit meiner Zeit?  Immerhin bin ich schon gejoggt. Ich beschließe, zu waschen und aufzuräumen. Und endlich einmal wieder alles durchzuputzen. Dann könnte jemand, der die Gene meiner Mutter in sich trägt, heute Abend zufrieden sein. Damit, etwas geleistet zu haben. Sonntag hin oder her.

Ich quäle mich also aus der Badewanne, wickle mich in mein großes, flauschiges Handtuch und stehe eine Weile vor dem Spiegel. Fröstle,  starre mich an. Mit langsamen Bewegungen wische ich den Spiegel sauber, nur um mich über meine Augenringe zu ärgern. Wieder komme ich mir langsam vor. Frischeingecremt mit meiner neuen, teuren Bodylotion, trete ich in den kalten Flur.

Fido ist, wie meistens, nicht daheim. Fido ist mein Mitbewohner. Ohne ihn könnte ich die Miete kaum bestreiten oder müsste auf einigen Luxuskram verzichten. Und das geht gar nicht, jetzt, so nahe der vierzig. Er ist Künstler und viel auf Reisen wegen seiner Ausstellungen. Seine Bilder sind mir zu düster, als sähe man in Abgründe. In viele Abgründe, in alle Abgründe dieser Welt. Wenn er hier ist, dann malt er, deshalb hat er das große Dachzimmer oben. Außerdem repariert er alle möglichen kaputten Sachen, was sehr praktisch für mich ist, die weder Geduld noch Talent hat etwas wieder ganz zu machen. Mein Talent liegt eher im Zerstören.

Schlau bin ich aus ihm nicht geworden, aber er ist zweifellos ein interessanter Typ. Vielschichtig, wandelbar. Wirkt er an einem Tag introvertiert, fast unhöflich, ist er am nächsten nahezu frech und provokant. Einmal erlebte ich ihn sehr liebevoll mir gegenüber. Das war, als ich mich von meinem Ex trennte, da er mich betrogen hatte, und pausenlos heulte und Wodka trank, den mir Fido hinstellte, ein ums andere Glas. Danach hatte ich die Grippe von der ich vorhin sprach. Und da kochte er mir in einer Tour Tee, nahm mir die Zigaretten ab und erzählte mir von seiner dramatischen Kindheit mit seiner weichen und freundlichen Stimme mit seinem tschechischem Akzent, oder wo auch immer er eigentlich herkommt. Seitdem fühle ich ein Band zwischen uns.  Oft denke ich tagelang nicht an ihn. Jetzt wünsche ich mir, dass er hier wäre und der Geruch seiner Zigaretten von oben runterwehte, wenn er am offenen Fenster raucht.

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