Meda Mildenberger 9

Ich stehe vorm Spiegel rum. Das Kleid ist okay und wenn ich mich anstrenge und nicht ständig grimmasiere, dann habe ich ein gutes Gesicht mit kaum sichtbaren Falten. Ich lächle, das zumindest gelingt schlecht.

Das Kleid ist auf Figur geschnitten und endet kurz über den Knien. Für mich eine vorteilhafte Länge, denn meine Knie sind schön und meine Unterschenkel schlank. Über den Bauch ist der Stoff gnädig gerafft, was meinem derzeitigen Zyklusstand entgegen kommt.  Meine dunkelroten Stiefeletten passen zum Lippenstift. Zum Fingernägellackieren fehlt mir die Zeit und der Nerv. In über 80 Prozent bin ich sowieso zu ungeduldig und lasse ihn nicht genug trocken, was zu hässlichen Macken führt. Der dunkelbraune Cordblazer entschärft das schlichte, strenge Kleid und harmoniert gut mit den Stiefeletten. Ich fühle mich wohl, beschließe ich. Sei offen und neugierig und versuche nicht zynisch zu sein, Meda, fordere ich mich auf und lächle mein Spiegelbild an. Diesmal gelingt es etwas besser.

Das Cello ist ein gehobenes Restaurant, dabei noch immer leger. Einmal war ich mit meiner Freundin Elsi dort. Im Gegensatz zu ihr fühlte ich mich dort wohl. Sie hingegen lästerte den ganzen Abend über die vermeintlichen Yuppies und Möchtegernreichen.

Beim Eintreten fange ich seinen Blick auf. Sofort springt er auf und kommt mit großen Schritten zu mir. „Meda!“, sagt er entzückt und haucht mir einen Kuss auf die Wange. Entsetzt stelle ich fest, dass mir sein Name entfallen ist. Der Duft seines Aftershaves steigt mir in die Nase, ich spüre, dass meine Wangen heiß werden. Er sieht gut aus mit seiner schwarzen Levis, dem kragenlosen blauen Hemd mit Leinenjackett darüber. Seine Füße stecken in teuer aussehenden Lederschuhen. Mit einer fließenden Bewegung hilft er mir aus der Jacke und hängt sie an die Garderobe, bevor er mich am Ellbogen berührt und neben mir den Tisch ansteuert. Zwei Paare blicken uns erwartungsvoll entgegen. Fluchttrieb droht mich zu übermannen. Tapfer nehme ich dennoch am Tischende Platz. Rechts neben mir sitzt er, dessen Name ich nicht mehr weiß.

Die Frau mit dunkelblondem Pagenkopf  zu meiner Linken sagt: „Hallo, ich bin Sabine“ Sie beugt sich dabei etwas zu sehr zu mir und blinzelt. Automatisch blinzele ich zurück und unterdrücke mein „Na und?“ Mein Lächeln sieht wahrscheinlich schrecklich aus. „Ich bin Meda.“

Neben ihr sitzt ihr Mann, das schließe ich daraus, dass sie beide denselben Ring tragen. „Brian“, stellt er sich vor.

Das andere Paar schmeißt die Konversation und redet ohne Unterlass. Beide sind etwas älter, ich schätze sie auf Mitte vierzig. Er trägt einen graumelierten Bart und Brille, sie hat langes, blondiertes Haar und unnatürlich glänzende aufgeworfene Lippen. „Peter und Murielle.“

Ersterer legt sein Gesicht in Falten und Murielle lacht laut, warum, finde ich nicht heraus.

„Freut mich“, sage ich wohlerzogen, denke dabei, na toll, worauf hab ich mich da eingelassen? Und vor allem warum? Der Grund sitzt neben mir und lächelt wie ein Honigkuchenpferd. Noch immer ist mir sein Name nicht eingefallen. Ich verstehe mich selbst nicht mehr und würde am liebsten einen Schnaps bestellen plus eine Aschenbecher, um eine zu rauchen. Doch darauf steht hier Teeren und Federn, wie´s aussieht. Brav und wohlerzogen nehme ich den Vorschlag zum Pinot Grigio an.

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